Dank professioneller Windmessung, in noch nie dagewesener Qualität, verwandeln Christoph Feichtinger und Philipp Kitzmüller den Wind aus einem Störfaktor in eine berechenbare Einflussgröße für Sportler, Entwickler und die Energiewirtschaft.
Der Wind bringt das Wetter, bewegt die Meere, die Wolken und die Luft und alles, was am Festland wächst. Er treibt Boote, Mühlen und Kraftwerke an. Zerbricht, zerstört und verwüstet. Und fasziniert die Menschheit, seit es sie gibt. Indigenen Völker gilt er als Atem der Welt, und auch in unseren Breiten steht der Wind symbolisch für die unaufhörliche Veränderung, die in der flüchtigen Natur allen Seins liegt. Seit Jahrzehnten hält die notorische Unberechenbarkeit des Windes darüber hinaus zum einen Techniker, Konstrukteure und Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen auf Trab. Zum anderen aber auch ambitionierte Sportler, die der unkalkulierbaren Verzerrung ihrer Leistungen durch den Wind etwa im Rennradsattel, auf der Laufbahn oder beim Schispringen mehr oder weniger hilflos zusehen müssen. Doch verblüffenderweise schlägt sich die immense Bedeutung des Windes in den verschiedensten Dimensionen keineswegs in entsprechend ausgefeilter Messtechnik nieder.
Trompetende Buddies
„Wind wird standardmäßig in einer Höhe von zehn Metern gemessen, aber nur selten an dem Punkt, auf den es wirklich ankommt“, sagt Christoph Feichtinger, der sich entschieden hat, genau das zu ändern. Mit einem Sensor und dem Start-up Windpuls, das er mit seinem Buddy Philipp Kitzmüller sowie ihren beiden Lebensgefährtinnen Elke Anzenbacher und Maria Dieplinger am 4. Mai 2021 in Linz gegründet hat. Unter Voraussetzungen, die auch in der bunten Welt der Start-ups ziemlich ungewöhnlich sind: Aus Schildorn bzw. Pramet im Innviertel stammend, sind Kitzmüller und Feichtinger eng befreundet, seit sie sich als Zehnjährige im Trompetenunterricht kennengelernt haben. Das ist mittlerweile fast 30 Jahre her.
Der Ökomaratahongewinner
Aus den Augen verloren haben sie sich nie, trotzdem sich ihre Wege immer wieder getrennt haben: Feichtinger ging nach Graz, wo er Maschinenbau studierte und Wirtschaftsingenieur mit Energie- und Umwelttechnik-Fokus wurde. Noch als Student baute er Österreichs damals energieeffizientestes Fahrzeug mit Wasserstoffantrieb mit. Den Shell Eco Marathon 2010 gewann es, indem es aus dem Äquivalent von 1 Liter Benzin eine Laufleistung von 1.700 km herausholte. Danach arbeitete Feichtinger fünf Jahre als Projektleiter der AVL qpunkt in Graz. Unter anderem an Kühlungssimulationen und Kühlkreislaufentwicklungen für Kunden wie Porsche und Audi, bevor er für weitere fünf Jahre zu KTM wechselte. Dort baute er die Aerodynamik-Abteilung für den Straßenrennsport auf, um 2019 schließlich technischer Direktor des Linzer Innovationslabors Digitrans zu werden, das an automatisierter und autonomer Mobilität arbeitet.
A Corporate Life
Sein Freund Philipp Kitzmüller machte währenddessen Karriere im Corporate Life: Nach dem Wirtschaftsinformatik-Studium an der Kepler Uni wurde er Account Manager im Versicherungsgeschäft von Raiffeisen, die er 2013 für einen Job als Risk & Insurance Manager bei der Lenzing AG verließ. Nach einem eineinhalbjährigen Intermezzo als Key Account- und Sales-Manager der Österreich-Niederlassung des US-amerikanischen Marsh-Konzern kehrte er 2015 in das Risk Management von Lenzing zurück und wechselte 2019 innerhalb des Konzerns, wo er seither die Leitung des globalen, indirekten Einkaufs verantwortet. Nicht verborgen blieb ihm dabei, dass sein bester Freund während all der Jahre fast fanatisch daran arbeitete, aus dem unberechenbaren Störfaktor Wind eine mess- und damit nutzbare Einflussgröße für Mobilität und Rennsport zu machen.
Trotz als treibende Kraft
Wie Feichtinger freimütig zugibt, war die treibende Kraft der Entwicklung einer mobilen Windmesstechnik oft reine Wut im Technikerbauch: darüber, dass sich alle Simulationen am Rechner und Tests im Windkanal auf freier Strecke als unbrauchbar erwiesen. Und darüber, dass sich seine Vorgesetzten mehr als einmal für eine suboptimale Bauteilvariante entschieden. Auf Basis zufälliger Performance-Daten, von denen Feichtinger wusste, dass der Wind seine Hand bei den Probeläufen auf der Teststrecke heimlich, aber entscheidend mit im Spiel gehabt hatte. Was sich jedoch mangels belastbarer Winddaten nicht beweisen ließ.