Wo Gründer das Gruseln lernen
Angst vor dem Risiko ist selten Teil des Mindsets eines Entrepreneurs. Doch das feit ihn noch lange nicht davor, Gruseliges zu erleben. Wie etwa den eleganten Versuch einer freundlich getarnten feindlichen Übernahme von Knowhow. Oder die Verhaftung eines frischgebackenen Mitarbeiters direkt am Arbeitsplatz: Das und noch mehr haben GROMA 24/7, Dots, Symflower und Bewido erlebt.
Kleingedruckte Stolperfalle
Die intelligenten Branderkennungssysteme von Markus Groiss stoßen bereits auf reges Interesse, als der in eigenen Worten "gutgläubige und lösungsorientierte Techniker" und seine Partner ihre Unternehmung GROMA 24/7 noch gar nicht offiziell gegründet haben. Zum Beispiel das eines führenden Technologieweltkonzerns, der Groiss und vier seiner Mitgründer in seiner deutschen Zentrale den roten Teppich ausrollt und dem Mühlviertler Start-up eine VIP-Behandlung zuteil werden lässt.
Drinks und Dinners
"Wir wurden von einem hochrangigen Septett inklusive dem F&E-Chef Österreich empfangen und regelrecht hofiert", erinnert sich Groiss an zwei Tage und Nächte mit charmanten Meetings, gehaltvollen Dinners und erlesenen Getränken. Von deren vorabendlichen Genuss noch leicht angeschlagen, bekommt Groiss am zweiten Tag der Sondierungsgespräche über eine mögliche Zusammenarbeit im Prüflabor vorgeblich "rein der Form halber" ein "Standard-Geheimhaltungsformular" in die Hand gedrückt. Schon der erste Satz ist so verklausuliert, dass ihn Groiss auch nach mehrmaligem Lesen nicht zu deuten vermag – und daher trotz subtilem psychologischem Druck lieber aufs Unterschreiben verzichtet.
Ein gut versteckter Paragraf
"Das war meine Rettung: Als ich das Dokument daheim unserem Anwalt zur Prüfung vorgelegt habe, hat er mich eine Viertelstunde später alarmiert angerufen und sich vergewissert, dass ich nichts unterschrieben habe", berichtet Groiss. Grund für die anwaltliche Aufregung: Unter einer ganze Reihe Standardparagrafen findet sich in Parageraf sechs einer, mit dem die hoffnungsvollen Österreicher dem Technologieriesen mirnichts, dirnichts exklusiv alle Rechte an ihrer Innovation übertragen hätten.
Ein sehr kleiner gemeinsamer Nenner
Vier Monate dauert es schließlich, bis die Rechtsabteilung des Konzerns und Groiss' Anwalt den kleinsten gemeinsamen Geheimhaltungsnenner finden. Auch in der Zusammenarbeit halten der Goliath und GROMA 24/7 in der Rolle des David bis heute an einem gemeinsamen Nenner fest, wie Markus Groiss sagt: "Aber der Zauber des Anfangs ist einem recht nüchternen und sachlichen Umgang gewichen."
***
Falsche Hauptsache
"Rückschläge gehören zum Unternehmerdasein, langfristigen Erfolg haben nur die, die sich nicht unterkriegen lassen und immer wieder aufstehen." So steht es auf der Website der Softwareschmiede D3eif in Hagenberg, die sich nichts weniger als die Digitalisierung des Güterverkehrs zum Ziel gesetzt haben.
100% produktfixiert
Was damit gemeint ist, wissen zwei der jungen D3eifer nur allzugut: Mit ihrem vorigem Start-up Dots haben Lukas Hofstätter und Michael Horner einiges Lehrgeld bezahlt. "Frisch von der Fachhochschule kommend, haben wir ohne einen ernsthaften Gedanken an die Wirtschaftlichkeit nur unser Produkt im Sinne gehabt", schmunzelt Horner heute über den klassischen Start-up-Fehler, der dem Linzer Dots-Team 2018 unterlaufen ist.
Werbung, die wirkt
Dabei lässt sich zunächst alles so an: 2018 zählt die mobile Plattform der Unternehmensgründer bereits rund 200 Geschäftsleute aus der Linzer Innenstadt zu ihren Kunden. Die nutzen Dots, um Kampagnen, Gewinnspiele und Sonderangebote auf dem Handy unters Volk zu bringen. Überaus wirksam: "Man hat die Frequenzsteigerungen in den Geschäften sehen können", kann sich Horner noch gut erinnern, "ein Haus an der Landstraße hat uns sogar gebeten, sein Weihnachtsmann-Suchspiel vom Netz zu nehmen, weil es dem Kundenansturm nicht mehr bewältigen konnte."
Zu spät ans Geld gedacht
Doch der Erfolg erweist sich als Pyrrhussieg: "Als wir nach der kostenlosen Testphase von einem halben Jahr wie geplant Gebühren eingeführt haben, sind 95 Prozent unserer Geschäftskunden abgesprungen – und die verbleibenden fünf Prozent wollten sich nur das Minimalpaket um 10 Euro monatlich leisten." Erst da dämmert es der Dots-Crew, dass sie besser etwas früher an die Monetarisierung ihrer Dienstleistung gedacht hätte.
Lernen für 10 Semester
Horners Verluste halten sich dennoch in Grenzen: Statt sich brotlos weiter zu mühen, legte er Dots auf Eis und nahm die gewonnene Erfahrung und einen seiner Kompagnons gleich zu D3eif mit. Mit einem blauen und einem lachenden Auge: "Soviel wie dadurch hätten wir in fünf Jahren Studium nicht lernen können."
***
Testfrage
"Getrieben von der Mission den Menschen vom Prozess des Softwaretestens zu befreien", wie es auf der Website von Symflower heißt, entwickelt das Start-up von Evelyn Haslinger und Markus Zimmermann automatisierte Testverfahren, die aus der Maschine statt von Menschenhand kommen. Mit soviel Erfolg, dass sich Symflower wachstumsbedingt laufend nach Mitarbeitern umsehen muss – und dabei auf unerwartete Qualitätsprobleme stößt.
Bluten fürs Recruiten
"Wir haben irrsinnig viel Energie ins Recruiting unserer Softwareentwickler gesteckt", berichtet Evelyn Haslinger, "und nicht nur auf allen möglichen Jobportalen für uns geworben, sondern auch als Gastvortragende in Lehrveranstaltungen wie an der Kepler Universität sowie als Speaker auf zahlreichen Meet-ups in der Technikerszene." Mit Erfolg: Nach dreimonatiger Anstrengung haben Haslinger und Zimmermann die Qual der Wahl unter knapp 50 Bewerbern.
Nichtssagender Lebenslauf
In den so zahlreichen wie ausführlichen Erst- und Zweitgesprächen gewinnt das Gründerduo eine ernüchternde Erkenntnis: "Ein Lebenslauf sagt noch gar nichts." Wir wurden z.B. von einem Kandidaten mit tollen Zeugnissen und mehrjähriger Erfahrung in renommierten Unternehmen enttäuscht. "Leider haben wir ihn im Recruitingprozess keine praktische Aufgabe lösen lassen", sieht Haslinger im Nachhinein den fatalen Fehler.
Falsche Hoffnung
Einen nächsten Fehler macht die Symflower-Geschäftsleitung, als sie mit der Kündigung noch zuwartet, während die Inkompatibilität von Mitarbeiter und Unternehmen längst offensichtlich ist: "Weil wir gehofft haben, dass wir doch noch zusammenkommen und weil so viel Aufwand ins Mentoring und Einschulen geflossen ist." Noch dramatischer, dafür aber wesentlich kürzer gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem nächsten Symflower-Mitstreiter. "Den hat die Polizei an seinem zweiten Arbeitstag bei uns abgeholt", sagt Haslinger, "und wir haben nicht einmal in Erfahrung bringen können, ob und wann er wieder entlassen wird. Der Datenschutz hat einfach Vor- und Nachteile."
Durch Testen zu den Besten
Inzwischen hat Symflower einen Personalstand von sieben und die entsprechenden Lehren aus den Recruiting-Turbulenzen gezogen: "Wir stellen vielversprechenden Bewerbern für das Zweitgespräch immer eine Testaufgabe unabhängig von deren Berufserfahrung", verrät Haslinger. "So können wir einschätzen wie die Leute ticken, ob sie von ihrer arbeitsweise zu uns passen und das nötige Skillset für die Arbeit bei uns mitbringen."
***
Richtig, aber zu bald
Wie mühsam Recruiting sein kann, davon wissen auch Alexander Schuster und sein Gründerpartner Rene Kopatsch von bewido ein Klagelied zu singen. Drei Jahre ist es nun her, dass sich die beiden Gedanken über neue und zeitgemäße Recruitung-Tools gemacht haben. Tools, die das Bewerbungsprocedere sowohl für Unternehmen als auch Karrierefreudige vereinfachen und beschleunigen sollen. Das Ergebnis der Gedankenarbeit: Knackige Bewerbungsvideos, wie sie im Nachbarland Deutschland seit einiger Zeit und in den USA schon seit 15 Jahren gängig sind, "zumal sie noch vor dem ersten Gespräch ergänzend zum Curriculum Vitae einen besseren Eindruck von einer Person vermitteln ", wie Alexander Schuster sagt.
Bauchlandung
Nach sieben Jahren im Anzeigenverkauf geht Schuster voller Tatendrang "erfolgsverwöhnt" mit exzellenten Kenntnissen des Human-Resources-Marktes auf eben diesen – und erlebt ein veritables Desaster: "Während unser Produkt monatlich perfekter geworden ist, hat parallel die Konjunktur bei sinkender Arbeitslosigkeit angezogen. Sehr oft hört er von potenziellen Geschäftspartnern: “Euer Videosystem ist toll, aber beim aktuellen Bewerbermangel brauchen wir kein Tool zur Selektion." '
Mit dem Ergebnis, dass selbst ein gestandener Sales-Profi wie Schuster bei rund 200 Akquistionsterminen in fünf Monaten nicht über acht Geschäftsabschlüsse hinauskommt. Mit durchaus namhaften Kunden zwar, aber deren eben nicht genug.
Dann eben nicht
Als das geplante Halbjahres-Etappenziel nach den ersten sechs bewido-Monaten in weiter Ferne geblieben ist, ziehen Schuster und Kopatsch die Reißleine. "Weil wir die Liquidation von bewido unbedingt vermeiden wollten, haben wir das Büro aufgegeben und eingespart, was nur geht", sagt Schuster, der sich auf anschließend auf die Gründerberatung verlegt. Um sich nebenher nach anderen Geschäftsmöglichkeiten umzusehen – die er und Kopatsch schließlich in einem Onlinebuchungssystem für Montagefirmen finden, die allerorts günstige Unterkünfte für ihre Leute brauchen. "In unserem ersten Monat im Juni 2018 haben wir unseren Kunden 100 Nächtigungen vermittelt", berichtet Schuster von der erfolgreichen Geschäftsalternative. "16 Monate später waren es im September 2019 bereits 2.700."
Das Beste kommt noch
bewido betreiben die Gründer "auf kleiner Flamme" weiter: "In Deutschland gibt es ein Unternehmen für Bewerbungsvideos, dort arbeiten nach einem Investment mittlerweile 30 Leute. Wir sind überzeugt, dass auch Österreich nachziehen wird."
SAVE THE DAVE!!
tech2b nimmt das zum Anlass und veranstaltet nächstes Jahr im JUNI ein Event dazu. Motto: von Start-ups für Start-ups! Wir geben den Start-ups die Bühne, um über Learnings, Höhen & Tiefen, Stolpersteine und das "wieder Aufstehen" zu sprechen und sich auszutauschen. INFOS folgen!