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Warum Primetals Technologies bei der Digitalisierung auf Start-ups setzt

Quelle: factorynet.at / von Elisabeth Biedermann

Selber ein Start-up gegründet, kennt Karl Purkarthofer besser als jeder andere die Höhen und Tiefen der Gründerszene. Wie er damit bei Primetals Technologies einen Kulturwandel vom Zaun bricht, verrät er im Interview mit Factory.

FACTORY: Herr Purkarthofer, aus Ihrem Start-up, das Sie in den USA gegründet haben, sind Sie mittlerweile ausgeschieden. Was blieb, sind Erfahrungswerte – hoffentlich gute?
Karl Purkarthofer: Sehr gute. Die Lernkurve ist einfach unglaublich. Kein Geld, nur einen Businessplan – so fängt jeder Gründer an. Man sucht nach Partnern, heuert Mitarbeiter an, sucht Investoren, um dann doch auf erste Probleme im Geschäftsmodell zu stoßen. Absolute Kundenorientierung, Schnelligkeit, Durchhaltevermögen, Flexibilität und Offenheit zur Anpassung sind für das Überleben enorm wichtig.

Sind solche Erfahrungen in einem Konzern wie Primetals Technologies nicht schon vorhanden?
Purkarthofer: Leider kommen diese Eigenschaften des Unternehmertums in großen Unternehmen oft abhanden. Auch wir sind zwar ein sehr innovatives Unternehmen, aber die neuen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, haben nur wenig mit unseren Kernfähigkeiten zu tun.

Sie sprechen von der Digitalisierung?
Purkarthofer: Richtig. Digitalisierung bedeutet für uns eine völlig neue Herausforderung. Hier ist Geschwindigkeit gefragt. Wer da vorne bleiben will, muss einsehen, dass uns unsere mitteleuropäische Ingenieurssicht des „Alles-selber-Machens“ oft im Weg steht. Wir haben nur bedingt die notwendigen Fähigkeiten und meist gar nicht die Technologien im Haus. Traditionelle Unternehmen sind leider immer noch sehr nach innen gekehrt. Wir müssen uns öffnen und uns mit Innovationsbringern wie Start-ups verbinden, die Spezialisten in diesen neuen Themen sind. Eine Gratwanderung ist dabei natürlich, wie in der Zusammenarbeit die Nähe zum Kerngeschäft sichergestellt wird. Das Thema in einer selbstständigen Gesellschaft zu separieren, halte ich für kritisch.

Und Sie glauben, der Start-up Spirit kann Ihnen da helfen?
Purkarthofer: Mit unserer Business Factory1) haben wir das schon bewiesen. Wir bekamen mit diesem Projekt Zugang zu Technologien und Ressourcen, die wir selber nicht hatten, und im weiteren auch eine sehr gute Übersicht der hiesigen Start-up-Szene. Daraus haben sich mehrere Kooperationen ergeben, aus denen wir in Verbindung mit unserem Know-how innerhalb von nur 12 Monaten vermarktungsreife Lösungen entwickelt haben. Alleine hätten wir das nicht in dieser Zeit geschafft.

Hätte Primetals Technologies nicht genug eigene kluge Köpfe im Unternehmen? Warum also Fremde anheuern? Sorgt das nicht für Kritik?
Purkarthofer: Berührungsängste und das „Lieber-selber-machen“-Syndrom gab es natürlich. Faktum ist aber, dass wir die notwendigen Fähigkeiten und Technologien intern nur bedingt oder gar nicht verfügbar haben.

Und wie begegnen Sie diesen „Lieber-selber-machen“-Fanatikern?
Purkarthofer: Das geht nur mit positiven Beispielen, viel Information, gemeinsamer Projektarbeit und vor allem schnellen Erfolgen. Oftmals fehlt Konzernen das Wissen, wie Start-ups funktionieren. Dazu gehört viel Fingerspitzengefühl und hundertprozentiges Bekenntnis durch das Management. Diese Kooperationen mit der Gründerszene sind ein langsamer Prozess ohne hundertprozentige Erfolgsgarantie.

Und oft auch ein Aufeinanderprallen von zwei Kulturen ...
Purkarthofer: Wenn diese zwei Welten aufeinanderprallen, ist das nicht ohne Spannungen. Aber dort kann auch viel Gutes entstehen, wenn man den strategischen Weitblick hat.

Also sind Start-ups für Sie ein wesentlicher Teil der Strategie?
Purkarthofer: Der Geschäftsbereich Services ist für die strategische Entwicklung und Ausrichtung unseres Unternehmens von enormer Bedeutung. Start-ups spielen dabei speziell im Bereich E-Services ein zentrale Rolle.

Sollte sich ein Konzern also mehr wie ein Start-up verhalten?
Purkarthofer: Ein Konzern ist freilich kein Start-up und deswegen kann auch diese Kultur natürlich nicht hundertprozentig übernommen werden. Das gilt übrigens in beide Richtungen.

 

Ende letzten Jahres haben Sie drei Start-ups unter Vertrag genommen: Die Linzer Testify für Qualitätskontrollen, das Start-up Open Ida für Anlagenüberwachung und TKE mit ihrem automatisierten CAD-Konstruktionstool für Kräne. Wie gestalten sich diese Verträge?
Purkarthofer: Die drei Projekte hatten aufgrund ihres Entwicklungsstadiums und ihrer Notwendigkeiten unterschiedliche Ausprägungen und Ziele. Bei manchen Lösungen ging es auch darum, die Industrietauglichkeit zu prüfen. Es wurden Pilotprojekte aufgesetzt und Vermarktungsvereinbarungen geschlossen. Wir haben allerdings auch lernen müssen, dass es manchmal mehr an Aufwand und Zeit bedarf als anfangs angenommen.

Ihr Durst nach neuen Technologien scheint noch nicht gestillt zu sein. Nach der Business Factory gehen Sie mit dem Projekt PIER4 noch einen Schritt weiter. Der Hightech-Inkubator tech2b sucht für Sie nach bestimmten Kriterien Start-ups. Interessant ist, dass dieser eine Mindestbeteiligung von nur 3 Prozent empfiehlt. Was sagen Sie dazu?
Purkarthofer: Die Zusammenarbeit mit Start-ups darf keine Einmalaktion sein. Das war uns immer klar. Darum war PIER4 für uns ein logischer nächster Schritt. Die Höhe einer Beteiligung hängt von der strategischen Bedeutung ab. Man muss wissen, dass viele dieser Jungunternehmen aus den genannten Themenkreisen nicht auf eine Industriebranche spezialisiert sind. Deswegen sollte man sich immer gut überlegen, wie weit eine Beteiligung zielführend ist. Ich sehe das Thema aber auch strukturell: Die Jungunternehmer sollen ihre Selbstständigkeit und Dynamik behalten, wir können sie aber finanziell, vertriebstechnisch oder aber mit unserer Industrieerfahrung unterstützen.

Also Finger weg von einer kompletten Übernahme?
Purkarthofer: Das kommt darauf an. Kaufen allein heißt nicht unbedingt in den Konzern integrieren. Natürlich kann ein Konzern ein Start-up übernehmen, die Frage ist, wie er damit umgeht. Wöchentliche Reportings und die tägliche Arbeitsplatzoptimierung, sowie eine Kernzeit von 9 bis 16 Uhr – passen da nicht unbedingt, vor allem in der IT. Großunternehmen sollten sich darüber im Klaren sein, dass straffe Strukturen nicht attraktiv für diese jungen Talente sind. Wer hier einem Start-up zu enge Ketten umlegt, gefährdet dessen Spirit und damit Existenz.

In welchen Bereichen sucht tech2b derzeit für Sie nach Start-ups?
Purkarthofer: In erster Linie auf dem Gebiet der Digitalisierung. Damit meine ich speziell Themen wie 3D-Druck, künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Data Analytics – alles Themen, die uns vor allem im Service und der Automation interessieren.

Gibt es für solche Kooperationen einen eigenen Budgettopf? Immerhin hat Siemens mit next47 eine Milliarde Euro der Start-up-Szene zur Verfügung gestellt. Sie sollen herkömmliche Wege verlassen und neue Ideen ausprobieren. Scheitern gehört zum Programm.
Purkarthofer: Einen offiziellen Topf gibt es nicht. Publicitymäßig hätten wir das natürlich auch machen können, aber ich denke, mit tech2b und PIER4 haben wir die beste Unterstützung gewählt. Wir machen das lieber Case to Case.

Ein letzter Satz zum brodelnden Geschäft mit Start-ups?
Purkarthofer: „Open Innovation“ alleine reicht zukünftig nicht, es braucht vielmehr einen „Open Organisation“-Ansatz. Die gesamte Organisation muss sich dabei nach außen öffnen, um den Zugang zu Ressourcen, Technologien und Geschwindigkeit zu bekommen. Da ist auch ein Kulturwandel notwendig. Konzerne, die diese Veränderung nicht mitmachen, werden mit den neuen Technologietrends nur schwer mithalten können.

Ein Interview mit: Karl Purkarthofer ist Senior Vice President und Global Head of Metallurgical Services bei Primetals Technologies.

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