Oberösterreich auf dem Weg zum Medical Valley
[Quelle:Wirtschaftsnachrichten]
Das Bundesland setzt zahlreiche Initiativen rund um medizinische Innovationen und kann bereits mit einigen interessanten Start-ups reüssieren.
Hilfreich für solche Innovationen im Gesundheitswesen ist gegenwärtig insbesondere der Einsatz digitaler Technologien, aus denen auch neue Hilfsmittel und Dienstleistungen entstehen. Diese dienen dann der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung, Überwachung und Verwaltung im Gesundheitswesen.
Gegen seltene Erkrankungen
Frühgeborene haben einen unsicheren Start ins Leben. Vitamin-A-Mangel kann sogar zu bedrohlichen Lungen- oder Augenkrankheiten führen. Das oberösterreichische Start-up „orphanix“ von Philipp Novak und Stefan Johansson entwickelt erstmals einen Wirkstoff, der dieses Defizit behebt. Das aussichtsreiche Projekt bildet die Speerspitze in Oberösterreich im weltweiten Kampf gegen bisher vernachlässigte seltene Erkrankungen. Diese sind weit verbreitet: Nur fünf von 10.000 Menschen leiden zwar an einer einzelnen „orphan disease“, doch ihre Gesamtzahl wird auf 6.000 bis 8.000 geschätzt. Daher sind alleine in Deutschland rund vier Millionen Menschen und über 400.000 in Österreich betroffen. Wegen zu geringer Patientenzahlen gibt es noch beträchtliche Defizite bei Diagnostik und Therapie. Bisher vernachlässigten auch
Pharmakonzerne diesen medizinischen Sektor, da er bei vergleichsweise hohem Aufwand zu wenig Gewinn versprach. In den USA begannen sich die ersten Unternehmen in den 80er-Jahren zu spezialisieren, in Europa setzte der Trend erst um die Jahrtausendwende ein.
Erfreuliche Trendwende
Das Start-up „orphanix“ mit Sitz in Ried im Innkreis möchte hierzulande diese Nische besetzen, zumal auch die Big Player nun Lunte gerochen haben. Veterinärmediziner Philipp Novak, der zusätzlich pharmazeuti sche Medizin in Großbritannien studierte und 15 Jahre Erfahrung in der Branche vorweisen kann, fand im schwedischen Neonatologen Stefan Johansson einen kompetenten Partner. Dieser gründete 2006 die weltweit größte Non-Profit-Social-Media-Plattform, auf der sich Experten weltweit über seltene Erkrankungen von Neugeborenen austauschen. Neue Behandlungsmöglichkeiten für diese Fälle lassen sich nur dann entwickeln, wenn Ärzte und Wissenschaftler über Länder- und Fachgrenzen hinweg zusammenarbeiten.
Kleines Unternehmen, große Pläne
Das Start-up, das die Genehmigung und Serienreife für sein erstes Medikament für 2020 geplant hat, richtet sein Hauptaugenmerk auf die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen, für die eine hohe medizinische Notwendigkeit besteht. Bisher stehen in diesem kleinen Marktsegment erst 100 zugelassene Therapien zur Verfügung. Im Vergleich dazu gibt es global 6.000 selten auftretende schwerwiegende Krankheiten. Meistens existiert in diesem Bereich eine hervorragende klinische Datenlage, der allerdings noch keine entsprechenden Arzneimittel am Markt gegenüberstehen. Diesen blinden Fleck möchte Philipp Novak mit seinem Partner füllen. „Wir verstehen uns als kleines, wendiges Boot, das viel rascher als die großen Tanker – sprich Pharmakonzerne – auf den ‚high unmet medical need‘ reagieren kann. Unser entsprechendes unternehmerisches Risiko wird im Erfolgsfall mit einer zehnjährigen Marktexklusivität abgegolten“, meint Novak, der in seinem Jungunternehmen zusätzlich gerade ein Nahrungsergänzungsmittel entwickelt.
Außerdem planter, seine Therapie auf die Anwendung bei Kindern und Erwachsenen in weiteren seltenen Erkrankungsgebieten auszudehnen. Als langfristiges Ziel will „orphanix“ anvisieren, die Lizenz für das aktuelle Lead-Produkt an pharmazeutische Unternehmen zu vergeben oder es mithilfe von Investoren selbst auf den Markt zu bringen. Gesucht werden auch Vertriebspartner, parallel läuft auch ein Angebot für private Beteiligungen: Den Finanzierungsbedarf von drei Millionen Euro bis zur europäischen Zulassung sollten idealerweise bis zu 30 Prozent private Investoren abdecken.
Mehr als Vorschusslorbeeren
Das Vertrauen in die Kompetenz von Philipp Novak und seinem Partner scheint groß: Das Innviertler Projekt wurde von Wirt-
schaftslandesrat Michael Strugl mit dem tech2b-Winner-Diplom geehrt. Damit wurde anerkannt, dass „orphanix“ den tech2b-Gründungsprozess erfolgreich bis zur Marktreife durchlaufen hat.Außerdem wurde der Pharma-Experte zur „world orphan drug congressference“ in Washington eingeladen, um dort einen Vortrag zu halten. Dieses Format ging von einer Elterninitiative aus, die sich mit Ärzten zusammenschließen wollten. Hier gab es für den ehrgeizigen Jungunternehmer reichlich Gelegenheit, an potenzielle Sponsoren und Partner heranzukommen. Auf dem Kongress waren nämlich Patienten, Ärzte und Krankenpfleger, Pharmaunternehmen, Vertreter von Zulassungsbehörden, Gesundheitsbehörden etc. vertreten.
Knochenarbeit
Meist kommen bei Knochenbrüchen Metallschrauben zum Einsatz, um Knochenfragmente wieder miteinander zu verbinden,
doch es muss nicht immer Metall sein: Das Linzer Start-up Surgebright hat mit „SharkScrew“ ein Knochentransplantat entwickelt, das Metallschrauben ersetzen kann. Das Unternehmen ist eine Gewebebank, die aus menschlichen Spenderknochen mit höchster Sorgfalt Transplantate produziert, die körperfremde Materialien wie Metall oder Kunststoff ersetzen. Man erspart dadurch nicht nur dem Patienten eine zweite Operation, sondern auch dem Gesundheitssystem die Kosten für den nicht mehr notwendigen zweiten Eingriff. In einem komplizierten Verfahren werden die feingewindigen Schrauben sterilisiert, damit sie von Chirurgen verarbeitet werden können. Zuletzt wurde Surgebright mit dem Phönix-Gründerpreis des Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums in der Kategorie „Business des Jahres“ ausgezeichnet.
Das Potenzial für diese Knochenschrauben ist groß, denn 170 Millionen Schrauben kommen jedes Jahr bei Operationen in den menschlichen Körper. Das Unternehmen arbeitet mit 26 Kliniken in Österreich zusammen. Vorerst konzentriert man sich auf den heimischen Markt. Als potenzielle Märkte gelten aber auch Deutschland und die Schweiz.