Navi für Gehirnchirurgen

[Quelle: CHEFINFO]

Virtual Reality. Mithilfe einer einzigartigen Software soll es Neurochirurgen bald möglich sein, bei Operationen virtuell in die Köpfe der Patienten zu sehen. Dahinter steht das Linzer Startup cortEXplore des 35-jährigen Mühlviertlers Stefan Schaffelhofer.

Wenn Elektrodenchips in Gehirne implantiert werden, wähnt man sich gewöhnlich in Science- Fiction-Filmen, in denen Künstliche Intelligenz in einer nicht allzu fernen Zukunft die Macht über die Menschen ergreift. Die Zukunft findet aber schon jetzt statt – im Techcenter im Linz-Winterhafen. Dort hat sich das Startup cortEXplore einquartiert. Mit dystopischen Weltuntergangsszenarien hat das Unternehmen freilich nichts zu tun. Im Gegenteil: Was cortEXplore macht, soll Menschen zu einem besseren Leben verhelfen. Konkret geht es darum, wie Personen mit Querschnittslähmung oder Patienten, die an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) leiden, ihre Bewegungsfähigkeit zurückgewinnen können. Der Gründer von cortEXplore, der aus dem Mühlviertel stammende Neurowissenschaftler Stefan Schaffelhofer, hat ein System entwickelt, das eine Schnittstelle zwischen Computer und Gehirn schafft – eben mithilfe der eingangs erwähnten Elektroden, die gezielt in das Gehirn eingepflanzt werden. Diese Sensoren können die Signale von Gehirnzellen auslesen, die normalerweise Muskeln ansteuern. Mithilfe der implantierten Chips können so etwa Handprothesen gesteuert werden.

3D-Rekonstruktionen
Neben der Gedankensteuerung von Prothesen und Roboterarmen für beeinträchtigte Menschen soll das System für weitere Operationen am Gehirn eingesetzt werden, um Neurochirurgen zu unterstützen. cortEXplore entwickelt zu diesem Zweck punktgenaue chirurgische Navigationslösungen. Laut Schaffelhofer unterstützen diese die Ärzte bei der Planung und Durchführung von operativen Eingriffen. Konkret funktioniert das so: Eine Software setzt Daten aus Computer und Magnetresonanztomographie zusammen. Mit den dadurch geschaffenen 3D-Rekonstruktionen, etwa des Gehirns, und mithilfe von Kameras, die im OP-Saal installiert sind, könne der Chirurg etwa bei Tumoroperationen in Echtzeit „virtuell in den Kopf des Patienten hineinschauen“, sagt Schaffelhofer. Innere, ansonsten nicht sichtbare anatomische Strukturen können somit virtuell betrachtet werden. Eine Operation lasse sich im Vorhinein exakt planen, ohne die Gefahr, Gefäße des Patienten zu verletzen. Laut Schaffelhofer soll das schon bald über sogenannte Mixed-Reality- Brillen funktionieren.

Der 35-jährige cortEXplore-Gründer ist ein Paradebeispiel dafür, was sich seit geraumer Zeit in der Linzer Startup-Szene abspielt. Allein im ersten Halbjahr 2018 gab es in der Landeshauptstadt laut dem für Wirtschaft zuständigen Vizebürgermeister Bernhard Baier (ÖVP) mehr als 500 Firmen- und Startup-Gründungen. Viele von ihnen nutzen die Infrastruktur, die im Linzer Hafen geschaffen wurde. Schaffelhofer ist einer von 75 Gründern und Jungunternehmern, die das Techcenter als Startrampe genutzt haben. Knapp 300 Arbeitsplätze sind dort bereits entstanden.

Firmengründung
Bis vor Kurzem steckte cortEXplore noch in der Projektphase. Schaffelhofer, der unter anderem an der Rockefeller- Universität in New York geforscht hat, begann vor zwei Jahren, die Idee zu entwickeln. Jetzt geht er den nächsten Schritt. Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Bernhard Großwindhager sowie seinem Mentor, dem Linzer Radiologen Josef Kramer, hat der 35-Jährige eine Firma gegründet. Seit Anfang Dezember ist der Gesellschaftsvertrag unter Dach und Fach. Als Startkapital bringen die Jungunternehmer rund 400.000 Euro ein, das Geld kommt zum Teil auch aus öffentlichen Fördermitteln.

Forschungszwecke
In den zwei Jahren der Projektphase hat cortEXplore bereits namhafte Kunden an Land gezogen: internationale Partneruniversitäten, etwa aus den USA, Kanada und Israel. Von ihnen hat Schaffelhofer schriftliche Zusagen, dass sie das System erwerben und ab 2020 für Forschungszwecke einsetzen wollen. „In vier bis fünf Jahren soll die Technologie am Patienten angewendet werden“, hofft der Startup-Gründer im Gespräch mit CHEFINFO. Zu diesem Zweck arbeitet cortEXplore auch mit dem Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums zusammen. Neben dem gesamten Neuro-Navigationssystem will das Unternehmen künftig auch Messsonden, Elektroden und Dienstleistungen, sprich Schulungen anbieten. Anerkennung für sein Projekt erntete Schaffelhofer bereits diesen Sommer: cortEXplore wurde mit dem von tech2b, den Technologiezentren, der Kunstuni Linz und der Creative Region ausgeschriebenen goldenen „EDISON Preis 2018“ in der Kategorie „technologie-orientierte Ideen“ ausgezeichnet.

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