Mrs. und Mrs. Alpha

Die GründungsberaterInnen des oberösterreichischen Inkubators tech2b wissen, wovon sie reden: Nina Gruber zum Beispiel. Sie war 20 Jahre Geschäftsführerin eines ambitionierten Mittelständlers. Johanna Köhler hat – zuletzt als Head of Business Development – ein Biotech-Start-up elf Jahre auf seinem Weg zum börsennotierten Unternehmen begleitet.

"Wohnzimmer" steht auf der Glastür zum gleichermaßen geschmackssicher wie gemütlich möblierten Besprechungszimmer des Inkubators tech2b im Hafenviertel von Linz. Doch wenn Nina Gruber und Johanna Köhler "ihre" Gründerteams dort an den Couchtisch bitten, wird das Wohnzimmer zum Business Gym, in dem die unterschiedlichsten Fertigkeiten trainiert werden: Geschäftsmodellbau, Produktentwicklung und Marketing zum Beispiel. Oder Unternehmensorganisation, Finanzierung und Kundenakquisition. Worum es auch geht, bleiben Köhler und Gruber den angehenden Unternehmer*innen in ihrer Obhut keine Antwort schuldig – und geben den Entrepreur*innen, die sie jeweils ein halbes Jahr lang als Sparringpartnerinnen begleiten, keine Chance, sie einmal auf dem falschen Fuß zu erwischen. Denn Gruber wie Köhler wissen aus erster Hand, was es bedeutet, ein Start-up hochzuziehen bzw. die Verantwortung für ein Unternehmen zu tragen.

Von nichts kommt doch was.
Zugleich wissen beide auch, was es heißt, aus wenig viel zu machen. Nina Gruber, weil sie den elterlichen Betrieb in Linz während ihrer zwanzig Jahre in der Geschäftsführung ebendort konsequent von einem reinen B2B-Geschäftsmodell auf eine erfolgreiche Mischung aus B2B und B2C umgestellt hat, "da ich der Meinung war, dass wir noch ein zweites Standbein brauchen." Den Webshop dazu entwickelte die im Technischen wie im Geschäftlichen versierte Unternehmertochter ebenso auf eigene Faust wie die damit verbundene Logistik und das Onlinemarketing in den Social Media – zunächst ohne Budget. "Das Budget hat sich erst durch den Erfolg der Maßnahmen ergeben", sagt Gruber rückblickend, "und dank dieser Erfahrung weiß ich zum Beispiel, worauf man beim SEO-Marketing schauen muss oder wie man auf einem globalen Markt Leistungen und Teile in den USA oder in Thailand einkauft und verzollt."

Karriereplaner Reiner Zufall
Johanna Köhler stieß ihrerseits nach Abschluss ihres Sozial- und Wirtschafswissenschaftsstudiums und einem Projektengagement bei Dr. Oetker in der deutschen Nahrungsmittelbranche "eher zufällig" in Wien zum Biotech-Start-up Marinomed. Zunächst nur, um dem fünfköpfigen Team temporär im Business Development unter die Arme zu greifen. Doch die Managerin mit oberösterreichischen Wurzeln ließ sich von der Begeisterung anstecken und zu hundert und mehr Prozent auf das Abenteuer Start-up ein. Es hat sich gelohnt: Ein Jahrzehnt später ist die Marinomed börsennotiert. „Es war eine sehr spannende Zeit“, erzählt Köhler. „Ich habe hautnah erlebt, was es heißt, ein Unternehmen aufzubauen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten, die es dabei zu bewältigen und zu nutzen gilt,
haben mich geprägt. Sowohl was meinen persönlichen Stil als auch meine Arbeitsweise betrifft.“

Im Feuer der Begeisterung
Genau diese Begeisterung ist es, die Köhler und Gruber nach dem Wechsel auf die Beraterseite heute so schätzen. "Als Gründungsberaterin hast du nur mit Menschen zu tun, die für etwas brennen und die etwas bewegen wollen", schildert Nina Gruber eines der Assets ihres Engagements bei tech2b. Ohne diese Begeisterung kämen auch Johanna Köhlers Klient*innen nicht weit: Als Betreuerin der Medizintechnik-Sparte von tech2b hat sie es verstärkt mit Jungunternehmen in den Bereich Life Science und Medizintechnik zu tun. "In dieser Branche sind die Produktentwicklungszyklen länger und der Markteintritt ist aufgrund der umfangreichen Regulatorien schwieriger", weiß Köhler. Ohne Enthusiasmus sind Hürden wie diese nicht zu nehmen.

Der Preis des Erfolgs
Doch Enthusiasmus ist auf Dauer nicht Alles. Das Hochgefühl brennender Begeisterung ist nicht für die Permanenz geschaffen. Fast schon tragisch ist die Ironie, dass oft ausgerechnet der Erfolg dieses Feuer löscht. "Wenn ihre Idee aufgeht, können Unternehmen plötzlich innerhalb weniger Monate um ein Vielfaches wachsen", sagt Köhler, die genau das selbst erlebt hat. Dann heißt es Neue ins Boot holen, "die als Angestellte von Haus aus nicht denselben Zug der Gründer zum Ziel haben", wie Nina Gruber sagt. Hierarchien wollen geschaffen werden, klar definierte Arbeitsbereiche entstehen. Die familiäre Atmosphäre des Anfangs, in der jede*r überall mit anpackt, weicht einer neuen Routine. "Darin steckt ganz viel Konfliktpotenzial für die Teams", sind sich Köhler und Gruber einig. Oft ist es dann an ihnen, zwischen gegensätzlichen Positionen zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass die Reibungsenergie im Management produktiv für das Unternehmen genutzt werden kann.

Unter starken Egos
Der Umgang mit starken Egos steht dabei auf Grubers wie Köhlers Tagesordnung. "Viele Gründer haben nun einmal von Haus aus feste Überzeugungen und eine hohe Risikoaffinität", meint Johanna Köhler, die dank ihrer Erfahrung und ihrer hoch entwickelten sozialen Kompetenz damit ebenso gut zurechtkommt wie ihre Kollegin. Wenn es sein muss, wissen sich die beiden Beraterinnen in kontroversiellen Situationen zu behaupten: "Wir sind beide Alphatiere und als gestandene Frauen direkt aus Führungspositionen zu tech2b gekommen", sagt Nina Gruber selbstbewusst. Mit Frauen haben sie es in ihrer Arbeit weniger oft zu tun als ihnen lieb wäre – die Gründerszene ist noch immer überwiegend männlich. "Gründen ist aber kein Genderthema", sagt Köhler überzeugt, "unternehmerisch zu gestalten und Ideen zu realisieren ist keine Frage von weiblich oder männlich. Dazu braucht es nur die Bereitschaft, sich immer nach neuen Lern- und Geschäftsmöglichkeiten umzuschauen und produktiv mit Veränderungen umzugehen."

Bilder v.o.n.u.: Johanna Köhler & Nina Gruber, Gründungsberaterinnen bei tech2b

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