„Mich treibt eine innere Unruhe an“

(Quelle: DIE MACHER - Frühlingsausgabe 2022)

Eine Plattform für Online-Fitnesskurse, die nach Tschechien und Indien expandiert, ein ambitioniertes Team, das an einem Lieferando für die Zahntechnikbranche arbeitet, ein Startup, dessen Software Gesichter auf Fotos automatisch verpixelt, und eine Erfolgsgeschichte, die eng mit einer einsamen Boje verbunden ist: vier spannende Startups im Überblick.

Celantur

Die Software von Celantur erkennt Gesichter auf Bildern mit einer Genauigkeit von mehr als 99 Prozent und verpixelt sie automatisch. Das Linzer Startup hat eine Exportquote von 96 Prozent. Für Unternehmen werden teilweise Datenbanken von mehreren Millionen Bildern gescannt und verpixelt. Viele der Kunden sind global agierende Milliardenkonzerne. „Als Startup haben wir viel Respekt vor einer Zusammenarbeit mit solchen Unternehmen – vor einer Partnerschaft müssen komplexe Audits und Complianceprozesse durchlaufen werden, da lernt man einiges“, sagt Gründer Alexander Petkov. In der Gründungsphase des Unternehmens sei hingegen das Mentoringprogramm von tech2b am hilfreichsten für den Erfolg des Unternehmens gewesen. Zielgruppe von Celantur sind etwa Vermessungs- und Ingenieurbüros sowie Unternehmen im Automobilbereich, ein bekannter Kunde ist die Strabag. Eines der spannendsten Projekte der letzten Monate war die Anonymisierung der Fotos von Straßenzügen nach der Explosion im Hafen von Beirut 2020. „Wir haben das Projekt gemeinsam mit der Amerikanischen Universität in Beirut für die Schadenserfassung umgesetzt“, sagt Petkov. Das Startup ist im B2B-Bereich tätig – das soll vorerst auch so bleiben. „Ab Mitte des Jahres wird unser Produkt als Software auch für Kleinprojekte unter 100 Bildern bereitstehen“, sagt Petkov.

Vertrauen als Verkaufsargument

Das Produkt von Celantur wird ständig erweitert: Mittels KI werden personenbezogene Daten auf Bildern und Videos automatisch erkannt und anonymisiert. „Unsere Software funktioniert auch auf lokalen Rechnern und offline“, sagt Petkov.

Anfangs war das wichtigste Verkaufsargument von Celantur noch die Vermeidung von Strafen für Partnerunternehmen. „Mittlerweile ist der Faktor Vertrauen viel wichtiger geworden“, erklärt Petkov. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass Unternehmen ihre personenbezogenen Daten gut geschützt haben, würde das den Zugang zum Unternehmen auf eine neue Ebene bringen – und weitere Geschäftsmodelle auf ein besseres Fundament stellen.

WeCon Dental

Die Tage vor unserem Interview hat Gründer Philipp Schaufler großteils am E-Bike verbracht. „Ich bin eine Woche lang quer durch Linz gefahren und habe Auslieferungen erledigt. Nur wenn man das eigene Kerngeschäft im Detail kennt, dann kann man es ideal optimieren“, sagt er. Das Kerngeschäft von WeCon Dental: der Pakettransfer von Zahnärzt:innen zu Dentallaboren – und umgekehrt. „Wenn man eine gebrochene Prothese hat, will man natürlich nicht tagelang ohne Zähne herumlaufen. Die Prothese muss innerhalb desselben Tages repariert werden“, erklärt Schaufler, „deswegen sind die Lieferungen besonders eilig.“

Bisher haben diese Lieferungen meist die Labore selbst übernommen. „In Österreich ist es momentan noch Standard, dass der Zahnarzt oder die Zahnärztin beim Zahnlabor anruft und dort jemand ins Auto springt, die defekte Prothese abholt, repariert, und dann wieder ausliefert.“ WeCon Dental lagert diesen Prozess nicht nur aus und will damit zu einer Art Lieferando der Zahntechnikbranche werden – sondern digitalisiert ihn auch. „Mit unserem System können Aufträge bequem digital per Klick erstellt werden, gleichzeitig bekommen unsere Kundinnen und Kunden detaillierte Auflistungen über Auftragsvolumen, Warenströme und entstandene Kosten“, erklärt Schaufler. Das soll nicht nur Geld, sondern auch Kapazitäten sparen. „In der Branche gibt es einen eklatanten Fachkräftemangel, die Lehrlingsausbildungen haben sich seit 2011 von 500 auf etwa 250 verringert – da schmerzt es natürlich, wenn neben dem Kerngeschäft auch noch Auslieferungen erledigt werden müssen“, erklärt Schaufler. Der 30-Jährige arbeitete vor der Gründung als Logistikleiter und Projektmanager in der Industrie – wenn der Gründer beginnt, Logistikprozesse zu erklären, kommt er ins Schwärmen: „Mich treibt eine gewisse innere Unruhe an, Prozesse effizienter zu gestalten.“

Expansion im DACH-Raum geplant

Das Gründerteam von WeCon Dental umfasst neben Schaufler auch Natascha Wachs, die davor als Zahntechnikerin arbeitete und nun für die Produktauslegung und Kundenakquise verantwortlich ist. Gesellschafter Markus Szöky, kümmert sich um die IT-Umsetzung. Für die Gründung konnte sich das Team zwei Förderungen sichern: die Pre-Scale-Up-Variante von tech2b sowie das FFG-Förderungsprogramm Impact Innovation. „Wir haben im Sommer 2021 durchgestartet und uns mit den Zahntechnikmeistern an einen Tisch gesetzt, um die Problemstellungen in der Branche zu ergründen“, sagt Schaufler. Die Strategie danach: Das Produkt möglichst schnell am Markt testen, um Feedback zu bekommen. „In der aktuellen Testphase haben wir mit fünf Laboren zusammengearbeitet und bisher sehr positives Feedback bekommen“, sagt Schaufler. WeCon Dental will in Linz weiter Prozess- und Softwareerfahrung sammeln und sich als Best-Practice-Beispiel etablieren. „Als nächster Schritt ist geplant, Großstädte in Deutschland und Österreich zu forcieren“, sagt Schaufler.

Fit-Up

Als Shahab Daban im Dezember 2019 seine Fitnessplattform Fit-Up (damals noch Catapult) veröffentlicht, auf der persönliche Sport- und Fitnesstrainings online angeboten werden, interessiert sich zuerst „kein Schwein“ dafür. „In persönlichen Gesprächen wurde unser Angebot immer wieder mit Fitnesscentermitgliedschaften verglichen und wir mussten ständig unser Geschäftsmodell verteidigen“, erinnert sich Daban. „Wir haben erkannt, dass wir offenbar am Markt vorbei arbeiten.“ Daban beschließt, auf Gruppenkurse umzuschwenken, um eine breitere Masse ansprechen zu können. „Das ist halbwegs angelaufen. Aber auch nur halbwegs“, sagt der Gründer, dessen Unternehmen in Linz beheimatet ist.

Und dann kommt Corona. „Auf einmal sind die Zahlen richtig raufgegangen“, sagt Daban. Die Bereitschaft, online an Kursen teilzunehmen, steigt enorm. Doch die Pandemie spielt dem Unternehmen nicht nur in die Hände – Einzelpersonen und finanzstarke Unternehmen setzen ebenfalls auf Onlinekurse, der Markt wird stark verwässert. „Wir unterscheiden uns vom Mitbewerb durch ein breites Angebotsspektrum auf einer zentralen Online-Plattform, über die alle Kurse aufgerufen werden können - eine All-in-one-Lösung sozusagen“, sagt Daban. Von Yoga, Pilates oder Kick & Punch bis hin zu Spagatworkshops, einer Sixpackchallenge oder Meditationsanleitungen finden sich die unterschiedlichsten Möglichkeiten für Menschen, die an ihrem Körper arbeiten wollen - als Livekurse oder als Videokurse. Ein wichtiges Geschäftsfeld für das Jungunternehmen sind mittlerweile Firmen, die ihre Angestellten zu mehr Bewegung animieren wollen. „Seit Anfang des Jahres haben wir für die Wiener Linien und ihren 8.700 Angestellten ein Gesamtkonzept entwickelt“, erzählt Daban. Die Mitarbeiter:innen können in einer Team-Challenge gegeneinander antreten, wobei jede Aktivität zählt; ob Livekurse, Videokurse, gegangene Schritte oder Outdoor-Aktivitäten. Für die knapp 260 Lehrlinge des Unternehmens gibt es eine separate Challenge, wo am Ende das Siegerteam gekürt und belohnt wird. Mit der mobilen App können Trainingseinheiten aufgezeichnet oder durch die Einbindung von Smartwatches automatisch aufgezeichnet werden. All das fließt ebenfalls in die Team-Challenge mit ein.

Neue Studios in Prag und Bangalore

Etwa 3.000 registrierte Kunden hat Fit-Up derzeit – Tendenz steigend. Aktuell werden die Kurse vorwiegend im DACH-Raum abgerufen, das soll sich aber bald ändern. Momentan arbeiten sieben Menschen im Kernteam von Fit-Up, 2021 investierte ein deutscher Investor 1,5 Millionen Euro in das Jungunternehmen. Damit wird unter anderem die Expansion vorangetrieben. „Wir eröffnen in Prag und Bangalore neue Studios, in denen weitere Livekurse angeboten werden“, sagt Daban.

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