Lärmkamera
[Quelle: Gewinn Magazin, Oktober 2020]
Das Linzer Start-up Seven Bel hat eine „Kamera“ entwickelt, die Lärmquellen sichtbar macht. Diese akustischen Bilder dienen der schnellen Fehlersuche in Industrie und Energiewirtschaft.
Schauplatz Umspannwerk. Dort brummen zigtausend Volt durch die Drähte und Transformatoren. Daher kann ein Mensch auch nicht bis auf wenige Zentimeter nahe ran-gehen, wenn er nach einem Fehlersucht. „Einen defekten Isolator kann unsere Kamera über mehrere Meter Entfernung hören“, veranschaulicht es Thomas Rittenschober, CEO und Gründer von Seven Bel. Er hat mit seinem Start-up eine Kamera entwickelt, die Lärm fotografiert. Sie arbeitet ähnlich wie ein Wärmebildgerät und visualisiert statt Wärmequellen eben Geräusche.
Ein rotierender Stab mit rund fünf Mikrofonen, aufgesetzt auf ein Stativ, misst kontinuierlich den Sound auf einer Fläche von rund 130 Zentimeter Durchmesser. „Die Signale wandern sofort in die Cloud, werden dort analysiert und ausgewertet“, sagt Rittenschober. Das Ergebnis sieht man auf dem Smartphone oder Tablet als „buntes“ Bild. Neu ist das freilich nicht, denn Schallbilder mittels Richtmikrofonen aufzuzeichnen ist gängige Praxis. Aber das „Wie“ ist neu. Während herkömmliche Geräte, die in der Industrie zum Einsatz kommen, ab 40.000 Euro kosten und eine dafür qualifizierte Person zur Bedienung benötigen, rangiert Rittenschobers Lärmkamera zwischen 5.000 und 15.000 Euro. Der Preis orientiert sich an Rechenleistung und Anzahl der Mikrofone
In fünft Minuten zum Soundbild
Seven Bel zielt also auf die schnelle Lärmmessung für „jedermann“ ab. Vom Aufbau der Kamera bis zum Ergebnis liegen fünf Minuten. Aber die Schnelligkeit geht nicht zulasten der Präzision, wie es bei anderen mobilen Lösungen auf dem Markt der Fall ist. Die Schallkamera von Seven Bel misst auch tief frequenten Schall, wie er in der Industrie häufig entsteht. Denn neben Quietschen und Klappern (höher-frequent) spielt auch dumpfes Brum-men eine Rolle bei der Überwachung und bei der Fehlersuche.
Das Konzept aus einfacher Nutzung und schnellem Ergebnis bescherte Rittenschober bereits Bestellungen von Kunden wie KTM oder Liebherr. Ebenso Kunden aus dem Automobil-bereich, Maschinen- und Anlagenbau sowie aus der Herstellung von Haushalts- und Consumerprodukten. „So muss etwa ein Akkuschrauber durch eine akustische Qualitätskontrolle, bevor er das Werk verlässt“, erklärt Rittenschober, der promovierter Mechatroniker ist, einen Anwendungsfall.
Vom mobilen zum stationären Einsatz
„Nächster Schritt ist die Automatisierung unseres Produkts“, so sein Plan, nach dem erfolgten Marktstart in Österreich und Deutschland im Sommer dieses Jahres. Es soll vom Ad-hoc-Troubleshooting-Instrument zum fix installierten Monitoringin Industriebetrieben gehen. Denn durch die besondere Richtcharakteristik in Kombination mit der Soundanalyse in der Cloud wird Umgebungslärm herausgefiltert. Das macht die Lärmkamera prädestiniert für den Einsatz in lauter Umgebung. Die Bauteile der in zwei Größen erhältlichen „Kamera“ stammen größtenteils aus Österreich und werden in Linz in-house zusammengebaut. Ab nächstem Jahr soll der Vertrieb für den Rest Europas erfolgen. Dazu sucht Rittenschober nach Vertriebspartnern.
Tech-Investor Herbert Gartner an Board
Mehr als eine halbe Million Euro sind bisher in die Entwicklung geflossen, finanziert von der FFG, dem AWS sowie der Beteiligungsgesellschaft eQventure. Letztere ist das Vehikel des bekannten österreichischen Investors Herbert Gartner, der an namhaften Tech-Start-ups wie USound (Mikrolautsprecher), Eyeson (Videokonferenz im Browser), Leftshift (KI-Betriebssystem) und Stirtec (Rührreibschweißen) beteiligt ist.