Investieren in Start-ups

Jörg Schlipfinger (tech2b) im Gespräch mit Martin Lehner (Berater, Business Angel & tech2b Mentor)
Die Ausfinanzierung von Start-ups in den unterschiedlichen Unternehmensphasen ist eine große Herausforderung für Gründer:innen. In Österreich gibt es zwar eine im internationalen Vergleich hervorragende Förderlandschaft, die es innovativen Gründer:innen erlaubt, gerade in der Prototypenphase innovative Projekte großteils zu finanzieren und hier Risiko abzufedern. Aber sowohl in der Frühphase als auch Richtung Marktreife hat Eigenkapital einen wesentlichen Hebel und da kommen Investoren ins Spiel. Denn Investments durch Business Angels oder VC Fonds sind oft die finanzielle Basis für skalierbare Geschäftsmodelle bzw. ein Teil erfolgreicher Start-up-Stories.
Aus diesem Grund ist es uns bei tech2b ein besonderes Anliegen, hier starke Akzente in Richtung Vernetzung mit Investoren zu setzen, um rasch die richtigen Akteure zusammenzubringen.
Heute möchte ich eine Person aus unserem Netzwerk vorstellen und begrüßen, die es sich zum Anliegen gemacht hat, jungen Unternehmen mit Potenzial zur Seite zu stehen. Mit Kapital, mit Erfahrung, mit Kontakten. Aber gleich mehr dazu:
Martin Lehner, Steckbrief:
Martin Lehner, ist 1966 in Linz geboren und Absolvent der HTL Linz für Maschinenbau. Er ist verheiratet und hat 5 Kinder. Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn war er 2 Jahre bei der Firma Hainzl Industriesysteme im technischen Vertrieb tätig, dann hat er bei einem Unternehmen namens Neuson begonnen (damals ein Start-up, wenn der Begriff schon gängig gewesen wäre); dort ist er auch geblieben und 35 Jahre später ist aus dem Start-up ein 2 Mrd. Euro Umsatz-Konzern mit weltweit 6.000 Mitarbeitern geworden, der unter die Top 25 seiner Branche zählt – das Unternehmen heißt jetzt Wacker Neuson und sein Vorstandsvorsitzender war von 2017 bis Ende 2020 Martin Lehner.
Danach hat Martin Lehner die Agenden übergeben, um nach Jahren vom Leben aus dem Koffer mehr Zeit für seine Familie zu haben, aber auch um seine Erfahrung an Start-ups und andere Unternehmen weiterzugeben. Als Berater, Business Angel und tech2b Mentor.
JS: Hallo Martin, danke fürs Zeitnehmen. Zunächst würde mich interessieren, was dein Lebensmotto ist?
ML: Gerne. Ich habe ein einfaches, aber altbewährtes Motto: Von nix kommt nix. Denn hinter jedem Erfolg steht harte Arbeit und auch die Einstellung macht dabei den Unterschied, nämlich, ob diese Arbeit als positive Herausforderung oder negative Belastung wahrgenommen wird. Und wie man den notwendigen Ausgleich schafft, um Kraft für die Extra-Meile zu haben, die dann den entscheidenden Unterschied Richtung Erfolg ausmacht.
JS: Welches Buch hast du in letzter Zeit gelesen, das du empfehlen kannst?
ML: „No rules rules“ – die Geschichte von Netflix, die zeigt, dass nicht das erste Geschäftsmodell Erfolg haben muss, sondern pivotieren erlaubt bzw. notwendig ist. Es geht ums Zulassen und Probieren. Das ist nicht nur für Start-ups, sondern auch für den Mittelstand wesentlich, sich in diesem Zusammenhang um die richtige Innovationskultur Gedanken zu machen. Denn neue Geschäftsmodelle weg vom reinen Produktfokus sind schwer bespielbar in einer klassischen Unternehmenskultur des 20. Jahrhunderts, die durch starke Hierarchien und Freiheitsbeschränkungen glänzt. Es muss natürlich nicht gleich Holokratie sein :).
JS: Zum eigentlichen Thema, welche Start-up-Projekte interessieren dich besonders?
ML: Mein Fokus liegt primär auf dem B2B Bereich, da ich aus der corporate Welt komme. Wesentliche Interessen dabei sind Lösungen rund um die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Circular Economy. Auch ich bin gerne schon früh an Board, in der preSeed- oder Seedphase. So auch bei Xelectric Power.
JS: Nach welchen Kriterien suchst du Projekte aus?
ML: Wesentlich sind mir vor allem der zusätzliche Nutzen für die Anwender/Gesellschaft, die klar ersichtliche Neuheit und der USP sowie Chance auf Realisierung und Skalierbarkeit.
JS: Wie bringst du dich in ein Projekt ein, was dürfen Gründer:innen erwarten, wenn sie mit dir zusammenarbeiten?
ML: Gemeinsam mit den Teams die Strategie definieren und an einer starken Vision arbeiten. Grobe Meilensteine definieren gehört genauso dazu wie die Finanzierung auf solide Beine stellen. Wo sinnvoll, versuche ich, Kontaktaufnahme zu etablierten Unternehmen und PoCs nahe am Markt mit zu initiieren. Bei all diesen Schritten versuche ich den Blick über den Tellerrand zu behalten und mein Netzwerk aktiv zu nutzen und natürlich auch Kapital zu investieren.
JS: Zum Thema Erfolgsfaktoren: was sind dir wichtige Do‘s & Don‘ts für Gründer:innen?
ML: Do’s sind
- Ein klar strukturierter und ausgearbeiteter Plan, denn ohne Ziele gibt’s kein Ankommen.
- Vorausschauend planen, Schritte müssen gut und plausibel belegt sein, auch wann welche Ressourcen zum Einsatz kommen.
- Wesentlich ist auch, sich rechtzeitig wg. Finanzierungen und Förderungen umzuschauen, um rasch einen PoC umsetzen zu können.
- Fokus auf die eigenen Stärken, das gilt auch bei den Mitarbeitern.
Zu den wesentlichen Don’ts gehören:
- Wenn der Fokus nur aufs Produkt aber nicht auf die dafür notwendigen Ressourcen gelegt wird, dann geht einem Projekt schnell die Luft (bzw. das Geld) aus.
- Ohne klaren Plan gibt’s kein Vertrauen.
- Als Investor angesprochen setze ich daher ganz stark auf die Nachvollziehbarkeit der Story bzw. der einzelnen Elemente eines Pitchdecks, egal ob ein Nischen- oder der Gesamtmarkt adressiert wird. Fragen dabei sind zB. wie setze ich mich konkret vom Mitbewerb ab, denn man ist so gut wie nie allein. Oder was ist der USP dem Kunden Wert (Stichwort: Preis vs. Value Proposition)
- Bei der Kapitalsuche selbst passiert es immer wieder, dass zu wenig hinterfragt wird, WER denn der/die passende Investor:in ist.
JS: Auf was schaust du bei deinem Gegenüber, wenn du Start-ups kennenlernst?
ML: Auf das Gründungsteam per se, ob es für die Idee brennt und nicht nur auf kurz-/mittelfristigen (monetären) Erfolg abzielt und ob auch der notwendige Mut, Wille und Ausdauer vorhanden sind und der Glaube an die Vision fundiert und wirklich unerschütterlich ist.
JS: Der „perfect fit“ beruht ja auf gegenseitigem Kennenlernen. Wo siehst du deine Stärken als Business Angel, die dich für Gründungsteams attraktiv machen?
ML: Ich habe die gesamte Reise vom lokalen „Start-up“ bis zum großen Unternehmen mitmachen dürfen, und diese Erfahrung gebe ich gerne weiter. Sei es im Organisationsaufbau, der Mitarbeiter-Suche, bei der Verhandlungsführung, der Partnersuche oder bei Internationalisierungsschritten. Auch wesentlich ist meine Erfahrung vom eigentümergeführten Unternehmen über M&A Aktivitäten bis hin zum Börsengang, und nicht zuletzt eben auch mein breites Netzwerk.
JS: In welchen Investoren-Netzwerken bist du bereits aktiv?
ML: Schon zu Zeiten von Wacker Neuson war ich dahingehend aktiv, dass wir beispielsweise im Speedinvest Industriefonds mitinvestiert haben, ich war dabei auch Vorsitzender des Investorenbeirats. Darüber hinaus habe ich natürlich gute Kontakte im globalen Industrie- und Corporate-umfeld, zu VCs in ganz Europa und darüber hinausgehende Märkte sowie auch zu potenziellen Business Angels.
JS: Gibt es auch etwas, das dir in deiner Rolle als Business Angel helfen könnte?
ML: tech2b ist sicher ein sehr guter Ansprechpartner, wenn es um das Zusammenführen von Business Angels und jungen Gründer:innen in Oberösterreich geht. Und natürlich der Austausch mit möglichst vielen Teams, man lernt ja immer voneinander.
JS: Wie kommt man mit dir in Kontakt?
ML: Einfach via LinkedIn anschreiben oder die Kontakte bei tech2b, zB. über dich nutzen, um ins Gespräch zu kommen.
JS: Abschließend noch eine klassische Frage: Wo siehst du dich in 5 Jahren?
ML: Ich bin für vieles offen. Grundsätzlich bin ich interessiert, mich bei spannenden Projekten aktiv einzubringen und mit starken (Gründer:innen)Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten. Ich suche meine Herausforderungen, ob als Business Angel oder auch als Gründer. Ich möchte dazu auch die gute Infrastruktur von tech2b nutzen. Das ist eine Chance für Oberösterreich, genauso wie die Digitaluniversität, die ich voll unterstütze und vielleicht kann ich da oder dort meinen Beitrag leisten.
JS: Danke für deine Zeit und das Gespräch!