Grauzone Homeoffice

[Quelle:Chefinfo 6-2020]

Das Homeoffice ist überall und auf allen Kanälen. Es gibt kein Entkommen. Wolfgang Speck, Boss des Wohnmobil-Giganten Knaus Tabbert, erklärt seine 200.000 Euro teuren Reisemobil-Luxusmodelle mit WLAN und Steckdosen kurzerhand zum mobilen Büro. Schreiben und Arbeiten mit Blick auf die Côte d’Azur? Warum auch nicht?
Laut einer aktuellen Umfrage der Business-Plattform Xing bedeutet Homeoffice nicht für alle Österreicher automatisch „Home“ bzw. zu Hause zu arbeiten, denn ca. 16 Prozent der Befragten hierzulande gaben an, dass sie ortsunabhängig fast überall dort arbeiten, wo es eine gute Internetverbindung gibt. Ein Chef einer Wiener PR-Firma hat aus seinem Büro zu Hause über Wochen täglich Krawatten-Fotos gepostet, jeden Tag ein anderes Modell mit frischen Farben zum frisch rasierten Gesicht. Kann man machen. In einem Werbeprospekt werden Möbel, die vor einem Jahr noch Computer-Eckschreibtische hießen, heute als Homeoffice-Lösung verkauft. Und der „Harvard Business Manager“ hebt auf die Titelseite des Magazins das Bild eines Managers im 1970er-Jahre-Style und ruft in dicken Lettern das Ende der Büro-Ära aus.

Relikt des 20. Jahrhunderts
Für den Abgesang des normalen Büros ist es definitiv zu früh. Aber es werden aufgrund der Erfahrungen im Lockdown rege Debatten geführt. Während Facebook-Chef Mark Zuckerberg davon usgeht, dass die Hälfte seiner Mannschaft bald nicht mehr ins Büro kommen wird, sieht Netflix-Gründer Reed Hastings im Homeoffice nur Nachteile. Twitter-Frontmann Jack Dorsey wiederum hätte nichts dagegen, alle seine Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Der Kampf um die Zukunft des Arbeitsortes ist voll entbrannt. Etwa 84 Prozent der französischen Büroangestellten sitzen wieder an ihrem Schreibtisch, in Großbritannien sind es weniger als 40 Prozent. Was passiert mit dem globalen, auf 30 Billionen Dollar geschätzten Markt für Gewerbeimmobilien, wenn Firmen Büroflächen im großen Stil reduzieren? Und die Mitarbeiter? Während ein Teil der Arbeitnehmer froh ist, nicht mehr pendeln zu müssen, sorgt sich der andere um eine kommende Zweiklassengesellschaft, mangelnde Aufstiegschancen und miesere Bezahlung. Die Pandemie hat gezeigt, dass viele Büros trotz der beschleunigten Digitalisierung als Relikte des 20. Jahrhunderts geführt werden. Wir stehen am Beginn einer spannenden Zeit. Sofern es Politik und Unternehmen zulassen, werden soziale Experimente eine der neuen Arbeitsform angepasste Firmenkultur hervorbringen, in der das Büro nur noch Drehscheibe für sporadische Anwesenheit statt eines zweiten Zuhauses ist.





Antiquiertes Arbeitsrecht
Diese Diskussion ist längst in der Politik angekommen, die das aus der Dampfmaschinen- Ära stammende Arbeitsrecht
endlich reformieren muss. Während die Niederlande vor fünf Jahren einen Rechtsanspruch auf Homeoffice– gegen Proteste der Arbeitgeber – eingeführt haben, laufen Verhandlungen bei uns und anderen Staaten erst an. In Spanien arbeiten aufgrund der Covid-19-Krise Millionen Arbeitnehmer von zu Hause – nun hat Madrid das Homeoffice auf eine rechtliche Basis gestellt. Der deutsche Arbeitsminister Heil fordert einen Mindestanspruch von 24 Tagen im Jahr für Arbeitnehmer auf „mobile Arbeit“ und die österreichische Regierung hat die lange verschmähten Sozialpartner reaktiviert und sie ins „Homeoffice“ geschickt, um dringend notwendige Regelungen für Tele- und Heimarbeit und ein moderneres Arbeitsrecht auszuarbeiten. Laut Zahlen von Eurostat arbeiteten im Vorjahr knapp 20 Prozent der Österreicher zumindest gelegentlich im Homeoffice. Heuer ist dieser Wert laut einer Erhebung der Universität Wien aus dem Frühjahr auf rund 35 Prozent gestiegen und lag zeitweise bei manchen Arbeitnehmergruppen – etwa jenen mit Uni-Abschluss – sogar bei über 60 Prozent. Homeoffice basiert auf Vertrauen und erfolgt über Betriebsvereinbarungen, rechtlich ist es aber eine Grauzone in den Bereichen Arbeitnehmerschutz, Arbeitszeit (und Arbeitsruhe) sowie beim Aufwandsersatz etwa für die Benutzung eines privaten PC.

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Startups nutzen Mischformen
Relativ leicht tun sich mit dem Thema Startups, erklärt Romana Fuchs, HRund Arbeitsrecht-Spezialistin für Startups beim oberösterreichischen Inkubator tech2b. Junge Gründer waren „schnell in der Remote-Arbeit drinnen, weil sie es auch schon vorher gewohnt waren, mit Videocalls zu arbeiten“. Natürlich leben Startups auch vom Spirit und vom Feuer – das würde, wenn alle von zu Hause arbeiten, verloren gehen, ist die Expertin überzeugt. „Startups tauschen sich ja auch über Unternehmensgrenzen hinweg aus. Jetzt kommen sie langsam wieder in ihre Büros retour. Wir hören nach Monaten wieder den Wuzeltisch bei uns im Linzer Techcenter. Aber Homeoffice wird ein fixer Bestandteil bleiben“, sagt Fuchs. Für viele junge Mitarbeiter sei die Möglichkeit, ein paar Tage von zu Hause aus zu arbeiten, ein echter Benefit. Es werden daher Mischformen kommen, ist die HR-Expertin überzeugt. „Ich habe aber auch schon von Startups gehört, die zu 100 Prozent auf Remote bleiben. Und man darf eines nicht vergessen. Ein Büro für zehn bis 15 Mitarbeiter samt Infrastruktur und Fixkosten ist ein Kostenfaktor. Man könnte daher die Flächen verkleinern und flexible Arbeitsplätze einrichten“, erklärt Fuchs.

HR-Spezialistin Romana Fuchs
Die Spezialistin für Human Relations und Arbeitsrecht für Startups bei tech2b sieht das Homeoffice wie geschaffen für junge Gründer. Startups haben sich während des Lockdowns sehr schnell und effizient auf Remote-Betrieb eingestellt. Ein paar Tage von zu Hause zu arbeiten, sei für viele ein echter Benefit. Zudem sei ein Büro ein wichtiger Kostenfaktor.

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Romana Fuchs, tech2b HR-Management
Chefinfo 6-2020 Ausgabe

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