Finde den Fehler – und lern' was draus

Auch Start-ups finden in Fehlern ihre besten Lehrmeister – wenn sie von Anfang Fehlerkultur enwickeln und leben, wie Birgit Wimmer-Wurm von tech2b weiß.
Nicht viele Arbeitsleben nehmen einen so abwechslungsreichen Lauf wie das von Birgit Wimmer-Wurm. Sie ist im oberösterreichischen Inkubator tech2b unter anderem für die Begleitung, Beratung und das Coaching von Unternehmensgründerteams zuständig ist. Wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen in den tech2b-Büros am Linzer Winterhafen weiß auch Wimmer-Wurm, wovon sie dabei spricht. Sie kennt das Geschäft von allen Seiten: Gleich der Schule macht sich die Beratungsspezialistin mit einem Softwareshop selbstständig. Nachdem der verkauft ist, setzt sie ihre unternehmerische Erfahrung im Firmenkundengeschäft und in der Bilanzanalyse einer Bank ein, um anschließend ein BWL-Studium einzuschieben und als frischgebackene Magistra als Beraterin und Krisenmanagerin in der Schuldnerhilfe zu arbeiten. Aus der kehrt sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin respektive Office Managerin des Rektors an ihren Studienort Kepler Universität Linz zurück, um 2019 schließlich bei tech2b anzuheuern.
Fehler ungleich Fehler
Was Wimmer-Wurm über alle Stationen hinweg begleitet hat, ist die ständige Auseinandersetzung mit Fehlern. Solchen im Management und in der Organisation wie auch im Umgang mit Ressourcen – und nicht zuletzt mit ihren eigenen Fehlern, wie sie unweigerlich alle machen. Vor allem, wenn sie so wie die hochreflektierte tech2b-Beraterin beruflich immer wieder Neuland betreten. "Man muss Fehler und Fehler unterscheiden", sagt Wimmer-Wurm. "Das Eine sind klassische Flüchtigkeitsfehler, die aus Unachtsamkeit passieren. Das Andere sind Fehler, die zum Beispiel aus Kompetenzmangel oder aufgrund von falschen Rahmenbedingungen entstehen."
Und dann gebe es noch die Fehler, die man fast gezwungenermaßen machen müsse, weil man ganz einfach nicht den notwendigen Handlungsspielraum habe. "Das sind systemische Fehler", weiß die Beraterin, die "ihre" Start-ups bei tech2b nicht nur bestmöglich vor gravierenden Fehlern bewahren möchte. Sondern ihnen auch zu einer produktiven Fehlerkultur verhelfen möchte. "Fehler haben bekanntlich das Zeug dazu, unsere besten Lehrmeister zu sein", weiß Wimmer-Wurm, "aber das muss man sie auch sein lassen."
Fehlerkultur kennt keine Strafen
Das Wichtigste sei der Verzicht auf eine Stigmatisierung der Person, die den Fehler gemacht hat. Denn Stigmatisierung ist eine Bestrafung, die Angst macht. Die Angst führt wiederum zu einem verkrampften Fehlervermeidungsverhalten, das erst recht kontraproduktiv ist: "Das angestrengte Fehlervermeiden oder vertuschen verbraucht extrem viel Energie und hindert uns so sehr am Ausschöpfen unseres Potenzials, dass wir erst recht die dümmsten Fehler machen." Fehler, die in einer angstbesetzten Unternehmenskultur am liebsten geleugnet und auf andere abgewälzt werden.
Ein produktiver Umgang mit Missgeschick und Irrtum sieht anders aus, erklärt Wimmer-Wurm: "Viel hilfreicher ist die Auseinandersetzung mit Fragen wie: Ist der Fehler zum ersten Mal passiert oder schön öfter? Was war mein Beitrag? Was kann ich daraus lernen?"
Man muss aber nicht jeden Fehler selbst machen, um etwas zu lernen. "tech2b stellt Start-ups ja auch ein Netzwerk zur Verfügung, in dem viel aus den Erfahrungen anderen lernen und vieles erfragen kann", freut sich Wimmer-Wurm, die dafür auch die Fuck Up Nights nach Linz gebracht hat. Ein Format, in dem Unternehmerinnen und Unternehmer freimütig von ihren Fehlern und dem daraus Gelernten berichten.
Falsches Team, Finanzen, Markt
Wie die tech2b-Beraterin beobachtet hat, entwickelt sich eine lernorientierte Fehlerkultur nur dort, wo sie auch von den Gründern und Führungskräften gelebt wird – und in kleinen Unternehmen zumeist besser als in großen, wo die Verantwortung für Fehler oft zwischen ganzen Abteilungen hin und her geschoben wird.
Dass auch Start-ups mit Fehlerkultur Fehler machen, liegt in der Natur der Sache. Birgit Wimmer-Wurm kennt die klassischen Fehlerquellen: "Ein Team, in dem nicht alle die selbe Vision und die selben Ziele teilen; dann die Finanzierung und drittens die Absenz eines Marktes für die Dienstleistung oder das Produkt, das entwickelt werden soll."
Bei diesem Ursachen-Trio setzt Wimmer-Wurm in der Beratung ihrer Start-ups an. Nicht, indem sie die richtigen Ratschläge gibt, sondern indem sie die richtigen Fragen stellt. Und die Gründer ermutigt, den Anderen ein Beispiel gebend zu Fehlern zu stehen. "Das ist alles andere als einfach in einer Gesellschaft wie der unseren, in der eine Insolvenz immer noch stigmatisiert wird", sagt die Betriebswirtin, "aber ein mögliches Scheitern ist einfach Teil des unternehmerischen Risikos. Fehlerkultur bedeutet da nicht zuletzt, eine gesunde Balance zwischen Risikobereitschaft und Risikoangst zu finden."