Extreme mit Gefühl

In der stillen Carl-Blum-Straße am Rand der Welser Innenstadt liegt hinter dem Mühlbach der Businesspark Alte Hutfabrik. Eine Handleserin und Astrologin hat sich in dem einnehmendem Ensemble zweigeschoßiger Backsteinbauten ebenso eingerichtet wie ein Ofensetzer, ein Tischkulturspezialist und etliche IT-Dienstleister. Nichts deutet in dem friedlichen Ambiente darauf hin, dass auch hier mit und unter extremen industriellen Bedingungen gearbeitet wird: "Ready for extremes" ist die im Claim formulierte Kampfansage der sensideon GmbH, die hier seit Jänner 2015 ansässig ist.

Sensorik für unwirtliche Orte
Ihr Name ist das kombinierte Kürzel von "sensing", "identification" und "in extreme environments", was die Mission treffend beschreibt. sensideon baut eine kleine Palette robuster Funksensoren, Messfühler und RFID-Tags, die auch an so unwirtlichen Orten wie Hochöfen und Flüssigmetallpfannen oder im Inneren von Druckgussmaschinen oder Rotationsschmieden zuverlässig ihren Dienst tun. Bei Temperaturen bis zu 400° Celsius und an beweglichen Teilen, die sich minütlich zigtausendmal um ihre eigene Achse drehen. "Unser Ziel und Anspruch ist, dass die Lebensdauer unserer Produkte zumindest dem Werkzeugzyklus entspricht", sagt Hannes Kurz, der für die Geschäftsentwicklung von sensideon zuständig ist. "Wenn ein Werkzeug nach Monaten oder Jahren ausgetauscht werden muss, hat auch der Sensor ausgedient."

Auf smarte Art simpel
Das sensideon-Sortiment empfiehlt sich für die Stahlproduktion, fürs Schmieden und Gießen, den Anlagen- und Motorenbau und viele andere Anwendungsgebiete mehr. Sein besonderer Clou besteht über ihre einmalige Widerstandsfähigkeit hinaus darin, dass alles auf Oberflächenwellentechnologie beruht. "Da entsteht durch die einfache elektrische Verbindung eines passiven, analogen Bauteils mit einer Antenne ein extrem robuster Funksensor, der ein ankommendes Funksignal in eine Oberflächenwelle umwandelt und das Signal reflektiert", erklärt der Gründer und CEO René Fachberger. Dieses Echo einzufangen und entsprechend zu interpretieren, ist Sache eines in der Regel vernetzten Lesegerätes. Auf die Daten können Steuerungstechniker, Produktionsleiter und andere Anwender zugreifen, wie sie wollen: Per PC, Smartphone oder Tablet, via Web von überall aus. Der Sensor braucht weder Verkabelung noch Energieversorgung. Die notwendige Energie liefert das Funksignal mit.

Ich bin's, dein Werkzeug
So können nun auch schwer zugängliche Objekte etwa im Inneren von Maschinen eine digitale Identität bekommen und laufend bekanntgeben. Das ist zum einen die Voraussetzung für das Internet der Dinge schlechthin. Zum anderen erlaubt das beispielsweise aber auch, stets die exakte Position oder Verweildauer beweglicher Teile festzustellen. "So lassen sich logistische Abläufe optimieren", erklärt Hannes Kurz.

Hochwillkommen ist den sensideon-Kunden auch ein weiteres großes Asset: Die Transponder übermitteln auch exakte Temperaturwerte aus Anlagenregionen, in denen eine Messung vorher gar nicht möglich war. Das eröffnet der Steuerung und Überwachung von Anlagen neue Perspektiven.

Rein in die Wirtschaftswirklichkeit
Die Leistungsfähigkeit der sensideon-Teile kommt nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis intensiver mehrjähriger Entwicklungsarbeit. "Allein für unseren Supertag haben wir an die hundert Prototypen gebraucht", sagt Hannes Kurz rückblickend, "bis wir die beste Kombination von Gehäuse, Brandschutz und Vergussmaterial gefunden haben."
Die Entwicklungsarbeit beginnt genau genommen schon während René Fachbergers achtjähriger Forschungstätigkeit im Rahmen des COMET-Forschungsprogramms, bei der die Oberflächenwellentechnologie eine maßgebliche Rolle gespielt hat. "Ich wollte dann aber unbedingt von der Grundlagenforschung in den Bereich der konkreten Anwendungen kommen", erklärt der gebürtige Welser, was ihn 2012 zur Unternehmensgründung bewogen hat. Und dazu, sich bei tech2b zu präsentieren: "tech2b ist der eigentliche Geburtshelfer von sensideon",  erinnert sich Fachberger, "dank der tollen Unterstützung haben wir hier den Grundstein für unser Unternehmen legen können."

Der Algorithmus macht's
Neben Georg Schmidinger von tech2b ist Christoph Werner in der Pionierzeit Fachbergers wichtigster Wegbegleiter. Der dieser Tage als stiller Gesellschafter beteiligte Werner entwickelt maßgeblich das sensideon-Kernelement mit: Einen Algorithmus, ohne den die Hardware bloß tote Materie wäre.
2014 wandelt Fachberger das Einzelunternehmen in eine GmbH um, Anfang 2017 kommen die ersten Sensoren auf den Markt. In Kleinserien, die das mittlerweile zehnköpfige sensideon-Team derzeit noch selbst in der Carl-Blum-Straße assembliert. Dementsprechend gehen Büro, Labor und Manufaktur dort fließend ineinander über. "Die Serienreife haben wir erreicht", sagt Hannes Kurz, "2018, spätestens 2019 gehen wir in die Massenproduktion, die dann natürlich nicht mehr nur hier stattfinden kann."

"Wir brauchen das Commitment unserer Kunden"
Um den Markt kümmert sich neben Hannes Kurz die Marketerin Lisa Oberlechner, die vor einem kommunikativen Luxusproblem steht: Mit der voestalpine, Audi, Gruber & Kaja, Mahle oder der AMAG hat sensideon bereits namhafte Referenzkunden, die auf die Sensorik aus Wels setzen. Doch eine ganze Reihe anderer prominenter sensideon-Anwender hat sich Stillschweigen ausgebeten. Auch kalkulatorisch ist das Geschäft noch heikel. "Gegenwärtig brauchen wir noch die Bereitschaft unserer Kunden, bis zu einem gewissen Grad auch die Entwicklungskosten mitzutragen", sagt Oberlechner. Insgesamt ist man in der Alten Hutfabrik jedoch guter Dinge, wie die Marketingfrau sagt: "Natürlich waren manche unserer ersten Projekte aufwändiger als erwartet, aber den Markteintritt haben wir gut geschafft."

Bild: tech2b / Andreas Balon

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